Zum Prozessauftakt der Gerichtsverhandlung um einen Femizid in Dresden trafen wir uns am 05.09.2023 gemeinsam mit der Fachstelle der LAG gewaltfreies Zuhause Sachsen e.V. vor dem Landgericht Dresden.

Dem in diesem Prozess Beschuldigten wird vorgeworfen, seine ehemalige Partnerin mit mehrfachen Messerstichen an ihrer Wohnungstür getötet zu haben. Die Frau starb noch vor Ort an den erlittenen Verletzungen. Der Beschuldigte soll mit dieser Tat die Durchsetzung seiner Umgangsrechte über das gemeinsame Kind sowie die Kontrolle über dieses angestrebt haben. Die Staatsanwaltschaft Dresden geht aus diesem Grund davon aus, dass niedrige Beweggründe und Heimtücke die Tatmotive darstellen.[1] Wir werten den Fall als einen Femizid!

Die Definition eines Femizids umfasst die Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts. Das bedeutet, eine Frau wird getötet, weil sie eine Frau ist. Hinzu treten die Fälle, in denen statt der Frau die gemeinsamen Kinder getötet werden. Der Tat geht oftmals eine Trennungsabsicht der Partnerin voraus; für einen Femizid muss jedoch keinesfalls eine Beziehung vorliegen. Auch Frauen, die sich bspw. Annäherungsversuchen eines Täters entziehen wollen, werden Opfer von Femiziden. Es handelt sich hier um eine misogyne, geschlechtsbezogene Machtverdeutlichung eines Mannes gegenüber einer Frau, die darauf abzielt, verlorene oder zurückgewiesene Besitzansprüche an der Frau geltend zu machen.

Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt in ihrem Dossier über Femizide und Gewalt an Frauen, dass weltweit alle elf Minuten eine Frau Opfer eines Femizids wird. In Deutschland wird durchschnittlich jeden Tag eine Frau Opfer einer Gewalttat durch ihren (Ex-)Partner – jeden dritten Tag endet diese Gewaltanwendung gegenüber den Frauen tödlich.[2] In Sachsen wurden seit 2020 18 Frauen Opfer eines Femizids, davon (bis heute) alleine 3 Frauen in diesem Jahr. Diese Zahlen sind erschreckend und beschreiben eine globale Problemlage.

Die Rechtslage bezüglich Femiziden ist in Deutschland nicht einheitlich und verfestigt den Gedanken der geschlechtsbezogenen Besitzansprüche oft sogar noch weiter. Das Motiv der niedrigen Beweggründe (für die Anerkennung des Mordes) wird durch entsprechende Gerichte ausführlich und kritisch geprüft.

Der Bundesgerichtshof entschied dazu grundlegend: Tötet ein Mann seine (Ex-) Partnerin, weil die Frau die gemeinsame Beziehung beenden möchte, so liegen keine niedrigen Beweggründe vor, weil sich „der Angeklagte durch die Tat gerade dessen selbst beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will.“[3] Im Umkehrschluss bedeutet diese Entscheidung, dass den getöteten Frauen selbst eine Teilschuld für ihren Tod zugesprochen wird, denn sie entzogen sich schließlich den Besitzansprüchen ihres (Ex-) Partners.[4] Der Landesfrauenrat Sachsen e.V. verurteilt diese Sichtweise auf das Schärfste. Frauen sind kein Besitz! Sie tragen niemals die Schuld an den Gewaltausbrüchen eines Mannes oder ihres (Ex-) Partners. Wir fordern deshalb: Sogenannte „Trennungstötungen“ müssen flächendeckend als Femizide anerkannt werden. Die Besitzansprüche von Männern an Frauen dürfen nicht weiter durch Gerichte legitimiert werden.

Wir fordern außerdem: Gewaltschutz vor Umgangsrecht! (Artikel 31 der Istanbul Konvention) Dieser Artikel besagt, dass die Ausübung von Sorge- oder Umgangsrechten nicht zu einer Gefährdung der gewaltbetroffenen Frau oder ihrer Kinder führen darf.

Wir sagen: Genug ist genug! Am 05.09.2023 versammelten wir uns genau aus diesem Grund vor dem Landgericht Dresden, um auf die erschreckende Lage der Femizide in Deutschland und Sachsen aufmerksam zu machen, der Frau zu gedenken und unseren Protest zum Ausdruck zu bringen.


[1] Medienservice Sachsen: Verdacht des Mordes. Staatsanwaltschaft Dresden erhebt Anklage zum Landgericht Dresden – Schwurgericht –, vom 02.06.2023, URL: https://medienservice.sachsen.de/medien/news/1066856.
[2] Bundeszentrale für politische Bildung: Femizide und Gewalt gegen Frauen, vom 20.04.2023, URL: https://www.bpb.de/themen/gender-diversitaet/femizide-und-gewalt-gegen-frauen/.
[3] BGH vom 29.10.2008, Az. 2 StR 349/08; BGH vom 15.05.2003, Az. 3 StR 149/03; BGHR StGB § 211 niedrige Beweggründe 32.
[4] Siehe dazu auch: Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb): Themenpapier: 19-24. Femizide in Deutschland: Strafverfolgung und angemessene Bestrafung von sogenannten Trennungstötungen, vom 25.11.2019, URL: https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st19-24.