31.05.2025 18:00 -
05. 07. 2025 0:00

Dresdner Sezession 89 e.V. galerie drei, Prießnitzstraße 43, 01099 Dresden

H I N A K O   K A G A W A  (Tokio / Japan)

F E M I N I S M U S – Lithografie, Zeichnungen und Kunstbücher
Ausstellung vom 31. Mai bis 5. Juli 2025
Öffnungszeiten: Do 16 – 19 Uhr / Fr 15 – 18 Uhr / Sa 14 – 17 Uhr

Vernissage am Samstag, 31. Mai 2025,18 Uhr und Einführungsgespräch mit der Künstlerin Hinako Kagawa und der Kuratorin Rika Nemoto

Zwei Mitglieder der Dresdner Sezession 89 e.V., Yini Tao und Irene Wieland, haben über ein eigenes künstlerisches Projekt in Japan die junge Künstlerin Hinako Kagawa in Tokio kennengelernt und wir freuen uns sehr, ihre eindrucksvolle Kunst jetzt in Dresden in unserer Galerie vorstellen zu können.

Zur Vernissage am Samstag, den 31. Mai, können sie im Gespräch mit der Künstlerin und den Projektbeteiligten mehr dazu erfahren und sich in einem gedanklichen Dískurs austauschen.

Hinako Kagawa (*1997 in Tokio/Japan) absolvierte ein Studium der Ästhetik an der Fakultät für Bildende Kunst der Tokyo University of the Arts und schloss anschließend den Master-studiengang in Druckgrafik an derselben Universität ab. Ihre künstlerischen Intensionen beschreibt sie im folgenden aktuellen Statement : Meine künstlerische Praxis bewegt sich im Spannungsfeld von Feminismus und narrativer Malerei. Mit einer charakteristisch feinen Handschrift und präzisem Blick für Details entwickle ich neue, zeitgenössische Ausdrucksformen der erzählerischen Bildsprache. Ein zentrales Inspirationsfeld bildet für mich die religiöse Kunst – insbesondere christliche Motive in mittelalterlichen Manuskripten – die ich im Kontext queerer Theologie neu befrage. Themen wie Fürsorge und feministische Perspektiven stehen dabei im Mittelpunkt meines Schaffens. Ich arbeite vorwiegend mit Lithografie, Künstlerbüchern und Zeichnung.

Rika Nemoto, (*1997 in Akita/Japan) eine ebenso junge Schriftstellerin und Kuratorin lebt und arbeitet derzeit in Österreich, begleitet kuratorisch die Werkpräsentation und reflektiert das künstlerische Schaffen von Hinako Kagawa wie folgt: In Kagawas jüngstem Großwerk – Where did my wings go? (2025) – sind rechteckige Stücke aus Washi-Papier nebeneinander montiert; die dazwischenliegenden Spalten erinnern an Gitter oder das Holzskelett von Shoji-Türen. Die Betrachtenden werden gezwungen, die Rolle der höheren Wesen einzunehmen, die einst auf die Menschen blickten – wir blicken durch ein Gitter auf eine transgeschlechtliche Person in depressivem Zustand, die auf einem Bett liegt. Dieses Betrachten ist von einem Gefühl der Unbehaglichkeit begleitet. In einer Sprechblase steht auf Englisch:

Sometimes I don’t think we’re born women/men at all. It’s like your wings get clipped,and then everyone’s so surprised when you don’t know how to fly.

Übersetzung:

Manchmal glaube ich nicht, dass wir überhaupt als Frauen oder Männer geboren werden. Es ist, als ob die Flügel gestutzt werden, und dann wundern sich alle, wenn man nicht weiß, wie man fliegt.

Doch hier in Kagawas Bildwelt gibt es auch Schmetterlinge, deren Flügel nicht gestutzt wurden. Sie verlassen den Schrank und das Haus, flattern zu blühenden Blumen im Hinterhof (Backyard, 2016), ruhen sich in einem Park aus (《乙女のたとえ》Metapher für Jungfrauen, 2021), oder trotzen Blitz und Platzregen (Calling, 2024). Wenn sie des Fliegens müde sind, kehren sie zurück nach Hause – einem Ort, der manchmal unbequem, manchmal aber auch wärmend und schützend ist. Ein Dach gegen Sturm und Regen. Ein Kleiderschrank voller bunter Pullover (A Letter to a young Daphne, 2023). Doch nicht alle Schmetterlinge finden zurück. Einige verirren sich im tiefen Wald und kehren nie heim (Serie über den Tod, 《葬列》Trauerzug, 2024–2025). Besonders unsere schwulen und transgeschlechtlichen Freund*innen wurden in einer Gesellschaft, die auf „heterosexueller Melancholie“ basiert, ihrer Trauerrechte beraubt – denn es fehlt an kulturellen Praktiken, die den Verlustgleichgeschlechtlicher Liebe öffentlich anerkennen. In der AIDS-Krise wurden die Toten nicht betrauert, vielmehr wurden homosexuelle Menschen als Repräsentanten der Krankheit selbst dargestellt. Heute sind queere und Trans-Personen den Weiten und dem Hass des Internets ausgeliefert, sie werden pathologisiert und sozial entwürdigt. Sie werden zu einem unehrenhaften Tod verurteilt – ausgeliefert an die allzu unsichtbaren, gleich-gültigen Engel außerhalb des viereckigen Closets. Doch wir – mit unseren Bildern und Gedichten – errichten ihnen einen Grabstein. Hier ist Trauer erlaubt. Hier dürfen wir weinen.

Zum Schluss nur eine Bitte: Nimm diese Schmetterlinge mit dir. Geh mit ihnen über die Regenbogenbrücke. Für all unsere Gefährt*innen, die gestorben sind.

Bild: Dresdner Sezession 89 e.V.